Unsere Gesellschaft steht mit vielen vergangenen und gegenwärtigen Konzepten
vor einem Umbruch. Konzepte, denen oft langwierige Entwicklungsstufen zugrunde
lagen, die immer irgendwie funktionierten, scheinen auf einmal nicht mehr
zu passen. Egal ob man nun den Medien oder den Politikern seine Aufmerksamkeit
schenkt, hören wir immer öfters, dass wir uns diesen Umbrüchen nicht mehr
entziehen werden können. Aber wie so oft, klafft zwischen der gewünschten
Theorie und der gelebten Realität eine massive Lücke.
Will man ernsthaft einen Bruch vollziehen, bedarf es mehr als Worte und Wunschvorstellungen
in einen Raum zu stellen. Denn ein großes übel dabei ist, dass wir zwar die
Worte hören, aber die Taten letztlich nicht in ihrer Gesamtheit vollzogen
werden. Um mit alten Traditionen zu brechen, benötigt es zweier zentraler
Faktoren: Kompromisslosigkeit und Radikalität. Beides wird allerdings in einer
Gesellschaft der Normalität eher mit Vorsicht betrachtet. Nur, wie lange können
wir uns Normalität noch leisten, wenn uns Normalität letztlich keine neuen
Perspektiven mehr ermöglicht? Mit alten Traditionen zu brechen, bedeutet in
diesem Land: wir wollen zwar etwas verändern, aber im Wesentlichen wollen
wir es so belassen wie es ist. Und genau darin liegt das übel. Denn, wer nicht
die Wurzel berührt, wird nie neue Grundlagen schaffen können. Ein Musterbeispiel
hierfür ist unsere Politik.
Würden wir jedoch einmal genauer in die Innovationsthematik einsteigen, die
uns seit geraumer Zeit aus allen Richtungen zugerufen wird, so würden wir
erkennen, dass Dinge zu teilen, zu reduzieren oder gar wegzuwerfen ein ganz
entscheidender Ansatz der Innovationsfindung darstellen. Zukünftig werden
diejenigen die Nase vorn haben, die bereit sind, sich von bestehenden und
eingefahrenen Strukturen frühzeitig abzuwenden. Die kompromisslos und radikal
einen Bruch wagen. Und dabei in Kauf nehmen, nicht mehr nur von allen Seiten
geliebt zu werden. Nur durch einen Bruch können wir bestehende und eingefahrene
Strukturen verändern. Auch wenn diese Gangart in einer immer noch "perfekten"
und "fehlerfreien" Gesellschaft oft mit einem Scheitern verbunden wird, müssen
wir lernen, über dieses alteingesessene und konservative Gedankengut hinweg
zu blicken. Denn ein Scheitern hat in unserer Gesellschaft sehr viel mit einem
Fehlschlagen eines Vorhabens zu tun. Betrachten wir aber ein Fehlschlag einmal
von einer anderen Seite, so erkennen wir, dass diese Eigenschaft von entscheidender
Bedeutung sein kann. So hatten zum Beispiel die Gebrüder Wilbur und Orville
Wright bei ihren Fehlschlägen während der ersten Flugversuche zufällig den
Windkanal für sich entdeckt. Durch diese Entdeckung gelang ihnen letztlich
erst der erhoffte Fortschritt in Richtung ihres eigentlichen Vorhabens. Und
so wie damals, ist auch heute ein Suchen und Versuchen zentraler Bestandteil
der Innovationsfindung.
Ebenso wichtig dabei ist es, Bestehendes zu minimieren oder zu reduzieren.
Ein gegenwärtiges Beispiel finden wir dabei in unserer Konsumgesellschaft.
Hier ist die Masse an vorhandenen Produkten dafür verantwortlich, dass unsere
Konsumenten immer müder werden. Dieser Müdigkeit möchte man durch noch mehr
Masse entgegentreten. Doch dieses Vorhaben wird misslingen. Weil unsere Konsumenten
mit der Zeit nicht nur immer müder, sondern auch mündiger werden. Denn, die
Konsumenten beginnen mehr und mehr, ihre Produkte und Dienstleistungen selbst
zu bestimmen. Die Voraussetzung dafür war, dass sie schon lange angefangen
haben, Bestehendes zu hinterfragen. Dieser Bruch stellt zukünftig ganze Branchen
vor neue und große Herausforderungen. Dass dabei die Gegebenheiten der Gegenwart
nicht mehr ausreichen werden, ist keine Prophezeiung, sondern vielmehr eine
Tatsache.
Dies führt unter anderem dazu, das dass Marketing der 80iger und 90iger Jahre
ein Auslaufmodell darstellt. Stures Festhalten an alten Marketingstrategien,
ähnlich einer Ersatzreligion, wird nicht mehr funktionieren, um zukünftige
Konsumenten bei Laune zu halten. Dabei wird eine ausschließliche Preispolitik
gnadenlos der großen Masse zugeordnet. "Geiz ist Geil-Märkte" werden sich
zunehmend selbst zerstören, nicht zuletzt dadurch, weil sie die Servicefrage
niemals lösen werden können. Der Konsument der Zukunft wird mehr und mehr
nach Lösungen für seine Anforderungen suchen. Und dafür ist er bereit sein
Geld auszugeben. Wer aber glaubt, dass dies nur mit Hochglanz und Größe zu
lösen ist, der irrt. Dafür werden u.a. Moral, Authentizität und Ehrlichkeit
zu den Schlüssel-faktoren als Erfolgseigenschaften zählen.
Zukunft für sich nutzbar zu machen, bedeutet mehr und mehr mit alten Mustern
und Traditionen zu brechen. Nur wenn wir versuchen und verstehen lernen, dass
ein Bruch in unseren eingefahrenen Denk- und Handlungsstrukturen eine änderung
in den Mentalitäten und Verhaltensweisen unseres Umfeldes hervorruft, wird
es auch gelingen, Neues in Bewegung zu setzen. Durch ein Fortschreiten des
Gewohnten und Bekannten werden wir an unseren eigen Perspektiven scheitern.
Und nur wer radikal genug ist und den Mut hat sich zu bewegen, wird es letztlich
schaffen, nicht an seinem Zweifel zu verzweifeln.
© Klaus Kofler