Zukunft ist Ansichtssache - wie das Glas, das für diesen noch halb voll und
für jenen schon halb leer ist. Bei den "Tagen der Utopie" im Christian-Jensen-Kolleg
ging es an drei Tagen darum, Optimismus gegen Katastrophenstimmung zu setzen.
"Menschen verlassen sich in Krisen fast immer auf ihnen bekannte Erfahrungen",
referierte Klaus Kofler vor rund hundert interessierten Gästen, die den Weg
ins nordfriesische Breklum gefunden hatten. Angst vor Problemen verleite also
zu jenem Verhalten, das zuvor oft genug gerade diese Probleme erzeugt habe.
Statt Angst brauche es Vertrauen und Offenheit für neue Antworten, so Kofler,
um Probleme zu meistern. Die Wahrscheinlichkeit, ob wir als Gesellschaft,
als Menschheit überlebensfähig sind, steige also, je eindeutiger wir die Frage
danach mit "Ja" beantworten.
Außer Zukunftsforscher Klaus Kofler, der seit Jahren nach pragmatischen Wegen
forscht, um Veränderungen als Chance zu nutzen, war auch der Atomphysiker
Hans-Peter Dürr, 81, nach Breklum gekommen. Der 1987 mit dem Alternativen
Nobelpreis ausgezeichnete frühere Mitarbeiter von Werner Heisenberg referierte
über die "moderne holistische Physik des Möglichen". Trotz großer Skepsis
im Angesicht der aktuellen Probleme, hoffe er, dass die Menschen in dieser
Welt des Umbruchs "neues Denken" lernte, erklärte Dürr, der 1956 bei Edward
Teller, dem "Vater" der Wasserstoffbombe, promoviert hatte.
Jenseits der spirituellen Physik des Umdenkens und dem panentheistischen Großenganzen
des Atomphysikers befassten sich zwei weitere Referenten mit den konkreten
Problemen und Fragestellungen des Alltags vorort.
Michael Schäfer sprang für den erkrankten Schweizer Professor Gion A. Caminada,
53, ein, und hielt einen Vortrag über die Arbeit und die Ideen, mit denen
der Architekt aus dem Kanton Graubünden zu hohem Ansehen gekommen ist. Caminada
möchte der "Landflucht" durch nachhaltige Dorfplanung entgegenwirken - ein
gerade für Schleswig-Holstein aktuelles Thema, für das die Situation und das
Verhältnis zwischen Einheimischen und "Neu-Bürgern" auf den Inseln Sylt und
Amrum ein Beispiel seien.
Der Architekt und Raumplaner Caminada, der an den Vorrang des Lokalen glaubt,
befasst sich seit Jahrzehnten mit der Entwicklung von Ortsgemeinschaften.
So ist sein in 1500 Meter Höhe gelegener Heimatort Vrin ein Beispiel, wie
eine Gemeinde gefordert wird, zwischen dem Anspruch an regionale Identiät
und den vermeintlichen Zwängen der modernen Tourismus-Industrie.
Ein zweites Beispiel der Gefährdung gesunder Lebensgrundlagen des Menschen
lieferte der Filmemacher Werner Boote. Der 45-jährige österreicher hatte im
vergangenen Jahr mit seinem Dokumentarfilm "Plastic Planet" für Aufsehen gesorgt.
Wenn alles so weitergehe wie bisher, so Boote, würden wir weiter von Plastik
überschwemmt. 250 Millionen Tonnen Plastik - befrachtet mit einer kaum zu
überblickenden Zahl an Schadstoffen - seien es jetzt schon, die den Planeten
jedes Jahr verschmutzen. Wer sich nicht darauf verlassen wolle, dass Politik
oder Industrie schon alles wieder richten würden, könne es jeden Tag auch
selbst versuchen: indem er oder sie dem Plastik wo immer möglich aus dem Weg
gehe und darauf verzichte.
Die "mutige Expedition nach übermorgen", zu der die Teilnehmerinnen sich in
Breklum eingefunden hatten, war kein Selbstzweck nach dem Motto: Der Weg ist
das Ziel. Mose hatte die Israeliten ja nicht nur so 40 Jahre durch die Wüste
geführt. übermorgen war für ihn ein wirkliches Ziel: "Dies ist das Land, das
Gott uns versprochen hat. Geht hin und besiedelt es!" Ohne eine gehörige Portion
Optimismus und ohne selbst etwas zu tun, werden wir Kanaan wohl nicht erreichen.
Link
zum Presse- und Filmbeitrag zu der Veranstaltung
Quelle: Evangelische-Zeitung