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Zurück in die Zukunft
Das Erwachen
Zukunft entsteht, wenn sich Befindlichkeiten ändern - genau das erleben wir gerade hautnah. Kein Prophet oder
Zukunftsdeuter konnte ihn sehen - geschweige denn vorhersagen - diesen schwarzen Schwan. Etwas Unbekanntes,
Unvorhersehbares, das meist massive Auswirkungen und Folgen nach sich zieht und uns gerade mit voller Wucht
trifft. Unsere linear abgebildeten Zukünfte werden quasi in Echtzeit grundlegend in Frage gestellt und pulverisiert.
Nur offenbart dieses Dilemma noch eine andere Wahrheit. Denn wir stehen nicht nur vor einem historischen Umbruch, sondern
auch vor einer historischen Tatsache. Gerade erleben wir, dass wir ein System geschaffen haben, für das wir genaugenommen
keinen „Plan B“ als Alternative verfügbar haben. Unsere hoch gelobte Globalisierung zeigt uns in aller Deutlichkeit ihr
anderes Gesicht. Oder vielleicht haben wir ja nur in aller Euphorie vergessen uns zu fragen, ob das, was wir da machen, denn
auch das ist, was wir auch wirklich alle machen wollten?
Waren es früher die Götter, die wir um Rat befragten, so suchten wir gestern noch in der Technologie nach Unsterblichkeit. Heute
verlassen wir uns auf Propheten, deren persönliche Vorstellungen von Zukunftsromantik Wege in eine neue Glückseligkeit offerieren.
Irgendwie ein wenig wie Weihnachten, nur am Ende mit Geschenken, die sich keiner gewünscht hat. Spätestens jetzt wäre doch der
Zeitpunkt, an dem wir aufwachen sollten aus einer Welt der Selbsttäuschung und Verantwortungslosigkeit. Denn der Satz, das kann
nie passieren, bekommt gerade eine völlig neue Dimension.
Mal ehrlich. Wollten wir denn nicht alle, dass die Gegenwart niemals
endet? Waren wir denn nicht geblendet von dieser Mischung aus Glück, Unsterblichkeit und Größenwahn? In der Realität angekommen
stellt sich jetzt die Frage, beschreibt die momentane Situation wirklich nur eine Gegenwartskrise oder erleben wir gerade einen
Zukunftsschock?
Die Erkenntnis
Umbrüche und Krisen haben aber auch etwas Positives, denn sie bringen Bewegung in ein meist eingefahrenes System und schaffen
Alternativen als eine Art „Transformationskanal“ in etwas Neues. Diese Tipping Points oder Kipppunkte eröffnen nicht nur völlig
neue Möglichkeits- und Gestaltungsräume, sondern können auch das Unerwartete zum Normalfall werden lassen und radikale Veränderungen
in unserem Denken und Handeln zu einem Flächenbrand entfachen.
Würden man jetzt den Bogen etwas weiterspannen und den Green Deal, wenn er denn wirklich ernst gemeint wäre, ins Spiel bringen, könnte
diese Krise wahrlich als große Chance dienen. Zum einen, weil das notwendige Bewusstsein dafür gerade hoch sensibilisiert wäre und
zum anderen wir sowieso einiges grundlegend neugestalten und umbauen müssten.
Wir sind an einen Punkt angekommen, an dem wir uns weniger fürchten und dafür mehr Mut zutrauen sollten. An dem wir uns zwischen dem
Prinzip „sowohl als auch“ oder „entweder oder“ entscheiden müssen. Und auch vor der Frage, welche Zukunft wir denn jetzt überhaupt
schaffen wollen?
Der Aufbruch
Und dann wären wir beim Tun angekommen, nämlich als erster Schritt sich selbst Zukunftsfragen zu stellen. Dann werden wir auch feststellen,
dass wir es mit ganz anderen Herausforderungen zu tun bekommen, als die die wir kennen. Eine der größten Aufgaben wird darin liegen, unsere
herkömmlichen und konventionellen Denk- und Handlungsmuster grundlegend infrage zu stellen und gegebenenfalls über Bord zu werfen.
Zukunftsgestaltung bedeutet nicht nur, Neues grundlegend denken, verstehen und lernen zu können, sondern auch wie wir es schaffen, sowohl
Entscheider als auch die Menschen selbst hinsichtlich ihrer Haltung in Sachen Zukunftsgestaltung erreichen, mobilisieren und mit ins Boot
holen zu können.
Zukunft machen wir nicht erst nach der Krise oder wenn das Fass bereits übergelaufen ist. Zukunft passiert im Jetzt und im Heute. Wir
sollten aufhören, den Zukunftsbildern anderer zu folgen oder solchen Bildern, die auf egoistischen Sicht- und Denkweisen einer alten Welt
beruhen.
Wollen wir das Morgen wirklich gestalten, müssen wir weit über unsere Horizonte hinausdenken. Aber dabei geht es nicht direkt um
den Blick in die Zukunft, sondern vielmehr um die Perspektive vom Morgen ins Heute. Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem wir uns fragen
sollten, ob unsere Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsmodelle überhaupt noch zeitgemäß sind. Suchen wir nicht schon zu lange auf Feldern einer
alten Industriekultur nach Lösungen für eine Welt von morgen?
Im Grunde genommen wussten wir doch schon vor der Corona-Krise, dass die Dinge
nicht mehr lange so weiterlaufen können. Bekannt ist aber auch, dass nach der Krise wieder vor der Krise sein wird. Inwieweit wir aber
nochmal in der Lage sein werden, einen solchen Gewaltakt ein weiteres Mal zu stemmen, bleibt fraglich. Gerade deshalb sollten wir uns nicht
an Dystopien oder Utopien orientieren, sondern jetzt den Status Quo grundlegend verändern.
Diese Welt wird nicht untergehen, sie wird sich weiterdrehen. Es wird aber an uns liegen, sie jetzt weiterzudenken und umzugestalten. Wir
alle sind Zukunftsgestalter und was wir heute tun (oder eben nicht tun), hat bereits morgen direkte Auswirkungen.
© Klaus Kofler